Solidarität in Gemeinschaft
Eine wichtige Orientierung im ERG-Unterricht
Was kann zusammenbringen bedeuten, inhaltlich, methodisch, didaktisch? Wie soll «zusammenbringen» in einer Lektion funktionieren? Die nachfolgenden Ausführungen begründen, warum sich ein fruchtbarer, effizienter und zukunftsrelevanter ERG-Unterricht am Begriff Solidarität ausrichten soll. Im ersten Teil wird diese Wahl vor dem Hintergrund aktueller wissenschaftlicher und gesellschaftspolitischer Debatten begründet und damit die Ausgangslage für den zweiten Teil geschaffen, in dem Beispiele illustrieren, was der Fokus auf «Solidarität» für Lehrpersonen in ihrem Unterrichtsalltag bedeutet.
1. Alltagspolitische Begründung
Gegenwärtig befeuern oder beklagen zahlreiche Kommentator:innen, Politiker:innen und Menschen von der Strasse das «Auseinanderdriften», die «Polarisierung» demokratischer Gemeinschaften. Diese Wahrnehmung verbindet Menschen unterschiedlicher sozialer und politischer Kulturen über Landesgrenzen hinweg. Bereits in einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Konrad Adenauer Stiftung von 2019 äusserten zwei Drittel der Befragten die Ansicht, es gäbe «wenig oder keinen Zusammenhalt in der Gesellschaft», insbesondere bei folgenden Themen: Beim Gegensatz von Arm und Reich, bei der Migrationspolitik und beim Klimaschutz.(Roose 2021, 3).1 In diesem Ergebnis spiegelt sich eine Kommunikationskultur, in der viele Akteurinnen und Akteure unermüdlich hervorheben, dass sich einzelne – Individuen oder Nationalstaaten – durchsetzen müssen.
Solidarität steht dieser Auffassung entgegen. Der Ausdruck weist auf einen Gegendiskurs hin, der nicht individualisierte Insel- oder Festungsbildung hervorhebt, sondern Beziehungen – selbst mit jenen, mit denen man unter Umständen uneinig ist. Als Begriff impliziert Solidarität Diversität und erzeugt Gemeinschaft. Die darin enthaltenen Ziele und Praktiken unterscheiden sich nicht nur von neolibralen Individualisierungskulturen in Demokratien, sondern auch von autoritär organisierten Vergesellschaftungsformen, die zwar ebenfalls Gemeinschaft erzeugen, aber auf ganz anderen Grundlagen beruhen.
2. Theoretische Begründungen: Solidarität ist ein Menschheitsbild
Im Begriff «Solidarität» drückt sich ein Menschenbild aus. Wer solidarisch wahrnimmt und handelt, beobachtet die Wechselwirkungen zwischen dem eigenen Handeln und einer oder mehreren Gesellschaftsgruppen: Das Augenmerk eines einzelnen Menschen liegt auf dem Bestand des Ganzen, auf den Beziehungen, die ein Individuum in seinen vielfältigen Intraaktionen mit anderen Organismen pflegt.2 Gleichzeitig kann in einer von Solidarität geprägten Situation der einzelne Mensch davon ausgehen, dass andere Gruppenmitglieder auch seine individuellen Bedürfnisse in ihre Handlungen einbeziehen.
Dieses Zusammenspiel bringt im besten Fall etwas hervor, das Wohlergehen genannt werden könnte. Das mag banal klingen, erzeugte aber einen handfesten evolutionären Vorteil, argumentieren Historiker wie Rutger Bregman, David Graeber und David Wengrow.(Bregman 2020; Graeber und Wengrow 2021) Denn es sei die Fähigkeit zur Solidarität gewesen, die den Homo Sapiens von anderen Hominiden existentiell unterschieden hat. Alle drei Autoren belegten diese These mit biologischen und archäologischen Daten, mit soziologischen und psychologischen Experimenten und erhalten mit ihren Arbeiten viel öffentliche Aufmerksamkeit.3
Während die Historiker Bregman, Graeber und Wengrow eine retrospektive Perspektive auf die Menschheitsgeschichte präsentieren, blicken Wissenschaftlerinnen wie Donna Haraway, Anne Tsing oder María Puig de la Bellacasa in unsere Zukunft und schreiben von speziesübergreifender Solidarität.(Haraway 1991; De La Bellacasa 2017; Tsing 2021) Seit den 1990er Jahren arbeiten sie mit dem Begriff more-than-human.(Haraway 1991) Sie loten damit die Prämisse aus, dass Menschen grundsätzlich nicht autonom existieren, sondern immer in vielerlei Beziehungen stehen und zwar zu anderen Lebewesen und Mikroorganismen, zu technischen Hilfsmitteln, zu sich aus solchen Beziehungsnetzen ergebenden sozialen Systemen und Ökosystemen. Die Autorinnen sind Teil eines internationalen und interdisziplinären Forschungsfeldes, das diese Verflochten- oder Verstricktheit mit dem Begriff entanglement hervorhebt. Vor bald zehn Jahren plädierte Haraway explizit dafür, dass die Menschheitsgeschichte als Verflochtenheitsgeschichte neu erzählt werden muss, wenn die Menschheit angesichts der fortschreitenden Zerstörung der Erde überleben will.(Haraway 2016)
Menschen sollen sich als tausendfach verbundene Wesen erkennen. Der Homo Sapiens muss als zentrale auktoriale Figur seiner Erdgeschichte abdanken und sich als Teil eines fruchtbaren «Komposts» verstehen lernen.(Timeto 2020; Haraway 2016) Haraway braucht dieses Bild, um auszudrücken, dass sich menschengemachte Unterscheidungen und damit auch Machtbeziehungen zwischen Menschen und anderen Wesen auflösen lassen müssen. Im Kompost gehen Machtbeziehungen «unter (die Erde)», um dann mit offenem Ausgang neu entstehen zu können (sympoiesis). Mit Blick auf das Ziel dieses Abschnittes ist es nicht nötig, die Begriffe und Argumentationslinien von Haraway und anderen detailliert wiederzugeben. Relevant ist aber deren Schluss: Haraway spricht von Verwandtschaft (kin) als Ursprung neuer, «gastfreundlicher» (hospitable) und «wiedergutmachender» (healing) Vergesellschaftung zwischen Menschen und anderen Organismen. Haraways Text lässt sich als Umschreibung solidarischer Verhältnisse lesen und ist hier deshalb relevant, weil ich diese Definition zur Beschreibung solidarischer Verhältnisse nutzen will, um sie von einer historisch enger gefassten Begriffsgeschichte deutlich zu unterscheiden. Solidarität muss more-than-human sein.4 Davon schreibt auch Robin Schmidt in seinem Beitrag, wenn er auf Creolisierung eingeht.5
Maria Puíg de la Bellacasa brachte das in einem schönen Sprachbild zum Ausdruck, das die weitere Konsequenz dieser Gedanken sichtbar macht und das sich zugleich fast wörtlich in meine Begründung einbetten lässt, weshalb «Solidarität» für den Gemeinschaftsbereich im Fach ERG eine zentrale Rolle spielen muss: De la Bellacasa betonte, dass wir in einem «Netz lebendiger Ko-verletzlichkeiten» leben in dem wir «andere Modi des Empfindens, Zuhörens und Beobachtens hervorbringen» müssen.(De La Bellacasa 2017, 145)6
Ich nutze dieses Zitat, um damit eine wichtige Unterscheidung machen zu können: Solidarität ist nicht eine von mehreren möglichen Reaktionen auf das Auseinanderdriften heutiger Gesellschaften. Viel grundlegender im wahrsten Sinn des Wortes bezeichnet Solidarität unsere grundsätzliche menschliche Verfasstheit. Das verhindert, zunächst theoretisch, die Separation. Noch stärker formuliert: Die von vielen gesuchte Verbundenheit ist bereits da, aber wir müssen uns ihrer bewusst werden. Sie zeigt sich, wenn sie in den Blick genommen wird und muss nicht durch Appell oder Erziehung hergestellt werden.
Donna Haraway, Anne Tsing oder María Puig de la Bellacasa öffneten den Solidaritätsbegriff vom Ausschliesslich-Menschlichen oder Menschenzentrierten hin zum Mehr-als-Menschlichen. Mit ihrer empirisch verankerten Theoriearbeit dezentrierten sie die bisherige menschenzentristische Welterzählung, ohne spirituell oder religiös begründen zu müssen, dass Menschen Teil jenes Ganzen sind, das permanent aus vielfältigen und immer zumindest teilweise zufälligen Intraaktionen entsteht. In ihrer Arbeit steckt nicht nur das inhaltliche Ergebnis – der Fokus auf Beziehungen –, sondern auch ein fachlich-methodisches: Alle genannten Autorinnen arbeiten und denken mit Erkenntnissen und Methoden mehrerer Disziplinen.
Im Begriff Solidarität spiegeln sich Diskussionen um Menschenbilder und Menschheitsgeschichten. Im Zentrum von Solidarität steht die Sorge (care) für eine inklusive Gemeinschaft, in der nicht nur unterschiedliche menschliche Bedürfnisse und Ansprüche verhandelt und verknüpft werden, sondern viel umfassender das gemeinsame und mannigfach verflochtene Leben auf der Erde von Belang ist. Um diese Sorge entwickeln zu können, braucht es den in Solidarität immer mitpraktizierten Perspektivwechsel: Statt «wie geht es mir dabei» oder «was habe ich davon» fragen solidarische Menschen «was für Auswirkungen hat mein Handeln auf andere Organismen», denken die eigene Position also vom Ganzen her, sei dieses Ganze die Klasse, die Menschen in dieser Stadt, die Natur etc. Das Abstrakte, wie zum Beispiel «die Gruppe», «die Gesellschaft», «die Erde» ist damit bezogen, wird manchmal wortwörtlich greifbarer. Schüler:innen lernen wahrzunehmen, dass sie in Bezügen stehen, in denen beispielsweise Rechte gelten.
3. Historische und aktivistische Begründung
Die Einladung, Solidarität zum Kernstück des Sammelfachs ERG zu machen, bietet nicht nur fachinterne und praxisrelevante Anknüpfungspunkte, die Arbeit mit dem Begriff beinhaltet auch ein Risiko, das mit der Geschichte des Begriffs und der aktuellen kämpferischen Debatte über Bildung verbunden ist. Die Schlagzeile, der Lehrplan, die Schule, die Lehrpersonen seien «links» erregt viele Gemüter und dient der Diskreditierung. Weil Solidarität historisch von Menschen der Arbeiter:innenbewegung und der 68er Generation verwendet wurde, die sich explizit als politisch links identifizierten, besteht die Gefahr, dass die Anliegen und Perspektiven, die ich mit dem Begriff Solidarität als Kernbegriff des Fachbereichs verknüpfe, diskreditiert werden.
An der Podiumsdiskussion des Praxistags für Lehrpersonen und Ausbildner:innen «ERG-on-the-spot» mit dem Schwerpunkt Gemeinschaft griffen die Anwesenden diesen Punkt auf.7 Der Historiker Milo Probst wies darauf hin, dass «Solidarität» zunächst ein konservativer Begriff gewesen war, der christlichen Akteuren kurz nach der Französischen Revolution dazu diente, sich von deren Zielen zu distanzieren. Erst später wurde er von der Arbeiter:innenbewegung aufgegriffen, damit Menschen eine gemeinsame Basis finden und sich gegen Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Ausbeutung wehren konnten. Seit den 1970er Jahren schwingen im Wort «Solidarität» Bilder mit, die eng mit dem anti- und postkolonialen Kampf verbunden sind und insbesondere mit dem Konsum jener Waren verknüpft wurden, die früher Kolonialwaren hiessen.
Die Begriffsklärung im ersten Teil zeigt, dass Solidarität heute weiter verstanden wird als früher: Solidarität bezieht sich nicht exklusiv auf Arbeiter:innen oder allgemeiner auf ungerecht behandelte Menschen weltweit, mehr noch: es geht nicht einmal mehr ausschliesslich um Menschen an sich, sondern auch um die Beziehungen zwischen allen Menschen und allen anderen Organismen. Im Gesamtbild ist der Mensch nicht mehr automatisch der Mittelpunkt und Hauptakteur auf dem Planeten Erde, sondern Teil eines grossen Ganzen.
Die aufgezählten Qualitäten des Begriffs Solidarität ermöglichen und leiten die wechselwirksame Öffnung der drei Disziplinen zueinander. Solidarität ist ein starker gemeinsamer Nenner für das Fachkonglomerat ERG, der endlich jene inhaltliche und didaktische Verflechtung ermöglicht, die im Lehrplan zwar gefordert, in der Praxis aber zu selten nachvollziehbar wird, weder für diejenigen, die Unterricht planen und umsetzen, noch für diejenigen, die in diesem Fach unterrichtet werden. Setzen wir Solidarität im soeben ausgeführten Sinn als Fluchtpunkt in die Unterrichtsplanung ein, integriert Solidarität die im Lehrplan 21 formulierten Anliegen gleichberechtigt durch alle drei Bereiche des Fachs hindurch, wie ich im nächsten Teil anhand einiger Beispiele zeigen werde.
Die Aufforderung, Solidarität zum roten Faden im ERG-Unterricht zu machen, steht und fällt mit dem konkreten alltäglichen Nutzen im Schulzimmer. Was könnte sich also verändern, wenn eine Lehrperson sich vornimmt, den Unterricht auf Solidarität auszurichten?
4. Konkretisierungen für den ERG-Unterricht
Diese Frage stellte der Praxistag der Tagung «Bildung der Solidarität», wo die Anwesenden ausgehend von ihren unterschiedlichen Ansprüchen an und Erfahrungen mit dem ERG-Unterricht nach praxisrelevanten Anwendungen suchten. Im Folgenden werden einige Beispiele als gemeinsam erarbeitete Ergebnisse aus der Tagung vorgestellt. Deren Anordnung greift die von Robin Schmidt vorgeschlagenen didaktischen Praktiken auf, die sich aus dem Fokus auf Solidarität ergeben.8 Die Orientierung an diesen Praktiken hilft und bestärkt Lehrpersonen in ihrer Schwerpunktsetzung und in der Art und Weise, wie sie sich einem Thema, einer Leitfrage, einem Problem nähern. Der Abschnitt wird mit einem rückblickenden Fazit enden.
Folgende vier Fähigkeiten üben Schüler:innen ein, wenn die Lehrperson Solidarität zum roten Faden ihres Gemeinschaftsunterrichts macht:
- Wahrnehmen: von Lebenssituationen, die im Grunde nach Solidarität fragen, weil andern die Teilhabe an grundlegenden Rechten fehlt.
- Zuhören: beim Verstehen vom andern ausgehen und nicht koloniale / paternalistische Konzepte vervielfältigen, wie sie aufscheinen in «ich weiss, was Du brauchst» oder «ich weiss, wer Du bist».
- Verstehen: wie Zugänge zu Freiheits- und Grundrechten aussehen und entstehen.
- Sprechen: um sich respektvoll und sachgerecht mit andern auszutauschen und damit Gemeinschaften zu erzeugen und zu stärken.
Wahrnehmen lernen: Lebenssituationen, die nach Solidarität fragen
Beispiel 1
«Mensch, du hast Recht(e)!» ist eine Ausstellung, die Diskriminierung, Normalität–Normativität und Demokratie ins Zentrum stellt und zeigt, welche Rolle Menschenrechte spielen, wenn es darum gehen soll, in einer gerechten Gesellschaft zu leben.9
An einer Station der Ausstellung verfolgen die Schüler:innen einen Chat mit, in dem Schüler:innen einer fiktiven Klasse ein spontanes Grillfest organisieren. Diese Schüler:innen reagieren erst ganz am Schluss auf den schon früh im Raum stehenden Einwand eines Mitschülers, dass Ramadan ist und einige Klassenkamerad:innen darum nicht um 18:30 mit dem Picknick anfangen können. Auf der Suche nach einer Lösung werden im Chat unterschiedliche Vorschläge gemacht, die aber neue Ausschlüsse erzeugen: So hat beispielsweise «Arno» kurz vor Sonnenuntergang den letzten Bus nach Hause. Er könnte nicht dabei sein, wenn das Grillfest nach Sonnenuntergang beginnt. Hier endet der Chat. Wie kommt die Gruppe zu einer guten Entscheidung?
Abstimmen scheint den meisten Schüler:innen die demokratischste Lösung. Die Abstimmung, so gibt die Station vor, endet mit 9:11. Der Gesprächsprompt fordert zum Perspektivwechsel: Nach jedem Vorschlag besprechen die Besucher:innen der Ausstellung, wie sich dessen Umsetzung wohl auf die Stimmung in der Klasse auswirkt. Die Diskussion unter den realen Schüler:innen in der Ausstellung wird zu einem Gespräch über Perspektiven, Gerechtigkeit und neue Lösungen.
Beispiel 2
Diskriminierung nimmt in «Mensch, du hast Recht(e)!» viel Raum ein. Die Stationen und die den Besuch vertiefende Moderation lösen bei Schüler:innen sowohl individuelle wie auch gemeinsame Auseinandersetzungen mit alltäglichen Formen der Ausgrenzung, des Otherings und der Diskriminierung aus. Wer kommt in Werbung vor und wer nicht? Warum zieht sich jemand ein T-Shirt an, auf dem steht «Don’t touch my hair»? Ich erinnere mich an ein Gespräch unter vier Schülerinnen. Die erste warf gleich als erstes in die Runde, dass sie darüber gelesen hatte, die Haare von schwarzen Menschen anzufassen, sei unangemessen. Die zweite Schülerin hatte einmal eine solche Szene in der Öffentlichkeit beobachtet und die beiden kamen ins Gespräch über die Frage, ob das für alle People of Color gelte. Nach einer kleinen Weile erzählte die dritte Schülerin, wie sie sich fühlte, als eine fremde Person unaufgefordert ihre Haare berührte. Was ist schlimmer, berühren oder kommentieren? Macht es einen Unterschied, welche Hautfarbe jemand hat, wenn Haare angefasst werden? Warum eigentlich? Gibt es ein Menschenrecht auf das Nichtberühren von Haaren? Das Bild mit dem T-Shirt machte einen alltäglichen Moment befragbar und brachte im Ausstellungskontext ein Gespräch in Gang, das für die Schülerinnen unerwartet rasch mehrere und neue Perspektiven eröffnete.
Zuhören lernen: vom andern ausgehen und sich selbst wahrnehmen
Eine andere Gruppe von Lehrpersonen arbeitete am Praxistag das folgende Unterrichtsszenario aus: Im Zentrum dieser Unterrichtseinheit steht die Auseinandersetzung mit «Armut in unserer Stadt», verknüpft mit ausserschulischem Engagement. Ziel der Einheit ist, zuzuhören was «die anderen» zu sagen haben, zu reflektieren, inwiefern sich von Armut betroffene Menschen «als andere» sehen und wie sie zu «anderen» gemacht werden. Die Klasse nimmt an einer Stadtführung von surprise teil, aber nicht in der Rolle von unbeteiligten Zuschauer:innen. Vielmehr geht es darum, im Austausch mit der Person, welche die Führung macht, herauszufinden, wo die Kritik von Menschen liegt, die von Armut betroffen sind. Gemeinsam mit dieser Person reflektieren Schüler:innen und Lehrperson ihre neuen Erkenntnisse, klären, was sie verstanden haben und was nicht, stellen kritische Bezüge her zu ihrem bisherigen Sachwissen und tragen Fragen zusammen, die sich ihnen jetzt stellen, zum Beispiel nach rechtlichen oder ethischen Rahmenbedingungen gesellschaftlicher und administrativer «Bekämpfung von Armut».
In diesem Szenario setzen sich Schüler:innen vielleicht ausgelöst durch das Gespräch (oder auf die von der Lehrperson explizit eingebrachte Frage) damit auseinander, welche Rolle Geschlechterverhältnisse spielen, wenn Solidarität fehlt oder hergestellt werden soll. Sie hören zu und nehmen zur Kenntnis, was Menschen, die in prekären Verhältnissen leben, unternehmen, um ihr Auskommen zu finden. Zuzuhören bezieht sich auf Geschlecht und Klasse wie auch auf Debatten über Auswirkungen (post-)kolonialer Herrschaft bzw. (post-)kolonialen Widerstands und nimmt Agency verschiedener Akteur:innen zur Kenntnis.
Resultat dieses Engagements ist keine de facto Distanz schaffende Solidaritätsaktion wie Geld zu sammeln, sondern, dass den Schüler:innen ein Perspektivwechsel ermöglicht wird, dass für sie Interessen anderer erkennbar werden. Allfälliges Handeln muss als Ko-Kreation im Sinne Haraways organisiert werden.
Der Blick in den Lehrplan 21 zeigt, dass mit dieser einen Unterrichtseinheit gleich drei Kompetenzen von ERG 5.1c abgeholt werden: Armut (5.5 Lebenslagen und Lebenswelten), Geschlechterverhältnisse (5.2) und Diskriminierung (5.2.c und 2.2d, ev. 5.5). Die im Lehrplan solitär formulierten Kompetenzforderungen kommen durch den Solidaritätsfokus zusammen und machen Sinn, nicht nur für die planende und den Unterricht orchestrierende Lehrperson, sondern auch für die Schüler:innen.
Zuzuhören lernen Schüler:innen übrigens in analogem, direktem Austausch ebenso wie medial vermittelt: Wenn sie nach Stimmen von Menschen suchen, die heute, aber anderswo leben, die sich früher, hier oder anderswo, geäussert haben.
Verstehen lernen
Ein Unterrichtsszenario zur Vorbereitung des Ausstellungsbesuchs heisst «Menschenrechtspatenschaft». Die didaktische Form und den Inhalt hat das pädagogische Team der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt entwickelt. Das Setup ist dieser Übung ist einfach und reichhaltig: Die Schüler:innen erhalten allein oder zu zweit ein Menschenrecht zugeteilt. Sie stehen in einem Kreis und halten die Karte mit «ihrem» Menschenrecht in der Hand. Die Lehrperson oder Mitschüler:innen lesen Situationen vor aus den Nachrichten, der Geschichte, Literatur oder Kunst, oder berichten von Situationen die sie erlebt bzw. von denen sie selbst erfahren haben. Beispiele können auch aus der Praxis kommen, zum Beispiel aus dem Buch der Juristin Angelika Nussberger, die acht Jahre lang Richterin am Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte gewesen war: «Frei und gleich. Die Menschenrechte».(Nußberger 2024)
Immer am Ende eines geschilderten Falls treten diejenigen vor, deren Menschenrecht von dieser Situation tangiert ist. Auf diese Weise füllen sich für die Schüler:innen die abstrakten Worte mit Leben. Indem sie über die Anwendbarkeit «ihres» Menschenrechts nachdenken und nach Argumenten suchen, um ihre Zuständigkeit zu begründen, nehmen sie eine anwaltschaftliche Sprecher:innenposition ein und vollziehen einen zweifachen Perspektivwechsel. Einerseits sehen sie eine Situation oder einen Vorfall mit den Augen anderer Menschen, deren Lebenswelt ihnen nicht in jedem Fall vertraut ist. Sie nehmen ein Unrecht, eine Ungleichbehandlung oder Unterlassung wahr, die ihnen sonst nicht aufgefallen wäre. Andererseits lernen sie die Menschenrechte kennen, womit nicht nur ein völkerrechtlich verbindlicher Korpus an Regeln und Praktiken gemeint ist, sondern auch eine grundsätzliche Einstellung gegenüber Gesellschaften, die sich im weitesten Sinn auf Hobbes Commonwealth beziehen lässt. Erst Gesellschaften, in denen die Einzelnen vor der Gewalt anderer (Menschen und Institutionen) geschützt sind, werden in die Lage versetzt, zu prosperieren.
Sie üben, davon auszugehen, dass in sehr vielen alltäglichen Konfliktfällen ein (Menschen-)Recht tangiert ist. Die Schüler:innen werden sich in einem nächsten Schritt vermutlich fragen, wie die Personen, von denen sie hören, zu ihrem Recht kommen könnten, wie sich deren Situation verändern lässt. Dann braucht es Beispiele, welche Akteure und Institutionen aktiv dafür eintreten. Die Übung fördert ihr Verstehen wie Zugänge zu Freiheits- und Grundrechten aussehen und entstehen.
Sprechen lernen: sich respektvoll und sachgerecht mit andern austauschen und damit Gemeinschaften bilden
«Ich find das eifach gruusig», sagte der Schüler und blätterte rasch weiter. Er schaute sich in der Ausstellung «Mensch, du hast Recht(e)!» das Bild eines schwulen Paars an, das ein kleines Kind auf den Knien hielt und glücklich in die Kamera blickte. Was genau der Schüler «gruusig» fand, blieb unausgesprochen.
Wer das Überwältigungsverbot und die fachlich gut begründete Zurückhaltung gegenüber «reiner» Werteerziehung kennt, weiss, dass die fruchtbarste Reaktion nicht sein kann, dass eine Lehrperson eine solche Situation zur imperativen Werteerziehung darüber nutzt, wie über queere Menschen zu reden oder gar zu denken ist. Zwar ist es gesellschaftlich unbedingt wichtig und auch erzieherisch wertvoll, dass Schüler:innen die gesellschaftlichen Erwartungen an sie kennen. Man hätte das Überwältigungsverbot falsch verstanden, würde man als Lehrperson diskriminierende, beleidigende, gewaltverbundene Äusserungen von Schüler:innen oder in Schulmaterial unkommentiert dulden. Es gelten in unserer Gesellschaft Rechte, die alle schützen und denen sich niemand mit Verweis auf persönliche kulturelle oder religiöse Überzeugungen entziehen darf.
Das Problem, das ich sichtbar machen möchte, illustriert der folgende Satz, den eine Schülerin in einem anderen Zusammenhang als Antwort auf die Frage nach Gründen für eine antisemitische Situation auf ein Arbeitsblatt schrieb: «Die Juden sind selber schuld daran, aber das darf man ja nicht sagen». Die Schülerin hatte die normative Erwartung, die geltende Sprachregel verstanden. Dennoch hatte sich ihre Haltung verglichen mit einem Zeitpunkt vor der Unterrichtseinheit vermutlich nicht verändert, die Aussage blieb antisemitisch.
Würde sich die im zitierten Satz aufscheinende Haltung verhindern oder gar auflösen lassen, wäre Solidarität eine etablierte Orientierungshilfe für das Gespräch gewesen? Die Frage ist zu grossräumig. Der Ausgang eines solchen Gesprächs hängt von den konkreten Schüler:innen ab, von der Beziehung zwischen ihnen und der Lehrperson bzw. der Klassengemeinschaft, vom Bildungskontext insgesamt und sicherlich von der gestellten Frage. Man kann aber fragen, welche Möglichkeiten auf «ich find das eifach gruusig» zu antworten vielleicht möglich gewesen wären, wären Zuhören und Perspektivwechsel eingeübt. Das Gedankenexperiment illustriert vielleicht darüber hinaus, wie das Verhältnis zwischen solidarischem Denken und einer möglichen Werteerziehung aussehen könnte.
Zuhören zu lernen heisst, einen Perspektivwechsel zu vollziehen. Warum blicken die schwulen Männer auf dem Bild glücklich in die Kamera? Warum könnte die Aufnahme gemacht worden sein? Was für Rechte haben die beiden in Bezug auf Familiengründung und welche nicht? Wie äussern sich Vertreter von Schwulenorganisationen zur Adoptionsfrage oder zu Leihmutterschaft? Wie lässt sich rechtfertigen, dass schwule Männer keine Kinder haben dürfen, und wer steht für diese Position ein? Wie denke ich über diese Gründe? Wessen Argumente will ich höher gewichten und weshalb?
Weder die persönliche Empfindung noch die Wortwahl «gruusig» müssen im geschildeten Beispiel korrigiert werden. Schüler:innen müssen es nicht begrüssen, dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder haben. Aber sie müssen lernen, sich unterschiedliche Positionen anzuhören, um sich dergestalt informiert selbst zu positionieren und eigenes Handeln abzuwägen. Das Bild in der Ausstellung war ein guter Anlass zum Gespräch.
Sprache
Vielen Beobachter:innen fällt im Schulalltag auf, dass Schüler:innen oft schlicht das Wissen und/oder das Vokabular nicht zur Verfügung stehen, um in solche Gespräche eintreten zu können. Es braucht Worte, die vielen, manchmal auch Lehrpersonen, fehlen. Nicht wenige zeigen sich nachvollziehbar verunsichert, wie sie etwas benennen, jemanden nennen sollen und haben den Eindruck, «man kann ja heutzutage gar nichts mehr sagen».
Sich an Solidarität auszurichten, heisst darum auch, sich mit Sprache zu beschäftigen. In der Öffentlichkeit und im Privaten wird über Worte gestritten. «Woke» ist Schimpfwort und Kampfbegriff gegen eine aus dieser Sicht übertriebene Sprachsensibilität, was es für viele schwierig bis unmöglich macht, inklusive, vergemeinschaftende Bezeichnungen überhaupt einmal kennenzulernen und zu verstehen. Die Tatsache, dass über Sprache so vehement gestritten wird, lässt viele zum berechtigten Schluss kommen, dass dabei mehr verhandelt wird als Vokabular.(Thiebault 2019) Wenn wir dem polarisierten Lagerdenken und den damit einhergehenden negativen Auswirkungen auf Gemeinschaften etwas entgegensetzen wollen,– und zum Beitrag an eine friedliche Zivilgesellschaft sind Schulen durch ihre Lehrpläne nicht nur aufgerufen, sondern auch befähigt –, dann hilft es allen, wenn an Schulen über Sprache nachgedacht wird, wenn Schüler:innen ein bewusstes Vokabular aufbauen und lernen, über dessen Wahrnehmung nachzudenken.
Im Rahmen des Open Space am Praxistag tauschte sich eine Gruppe von Lehrpersonen der Sekundarstufe 1 über Momente im Unterricht aus, in denen Geschlecht sichtbar, aber unangesprochen im Mittelpunkt stand. Sie teilten die Beobachtung, dass Schüler:innen oft und gern in gleichgeschlechtlichen Gruppen arbeiteten. Wirkte sich das inhaltlich aus und was bedeutete diese strenge Trennung für Schüler:innen, die sich weder der Gruppe der Mädchen noch der Gruppe der Jungen zuordneten? Welche Aufgabe hatten Lehrpersonen innerhalb der sich daraus entspinnenden Dynamik im Schulzimmer? Im Hinblick auf Identifikationsangebote und Sprache diskutierten die Lehrpersonen über die Bedeutung von Social Media für einige ihrer Schüler:innen. Mehrere Lehrpersonen beobachteten, dass die Sprache von Influencern wie Andrew Tate Klassengespräche beeinflussten. Aufgreifen? Stehen lassen? Vorbeugen?
Wenn der Unterricht auf Solidarität ausgerichtet wäre, so die Lehrpersonen, würde diese Ausrichtung einen Mehrwert schaffen. Sie würden Geschlecht zum Unterrichtsthema machen und zeigen, dass und wie individuelle Äusserungen Teil umfassender Strukturen sind, mit der Klasse das Ungleichgewicht versuchen zu erkennen, das sich in diesen Strukturen abbildet und der Frage nachgehen, welche Rechte dabei tangiert werden, die allen zustehen sollten. Und schliesslich könnten die Wirkungen von Sprache zum Thema werden – nicht nur im abstrakten Gebilde «Gesellschaft» oder «Öffentlichkeit», sondern auch in ihrer Klasse: Was bewirkt solche Sprache in unterschiedlichen Gemeinschaften? Vielleicht würde auch die Verflochtenheit sichtbar zwischen dem eigenen Handeln und dessen Wirkung in die Gruppe, die sich den einzelnen als Stimmung oder Atmosphäre zeigt, die sich durchaus auf das eigene Befinden und Verhalten auswirkt.
Die Lehrpersonen trugen eine breite Auswahl an Möglichkeiten zusammen, wie sie Geschlechterbilder so im Unterricht fruchtbar machen könnten, dass sie über pure Analyse hinausgehen und den Schüler:innen Raum lassen für eigene Standpunkte. Wie könnte ein solidarischer Umgang mit Geschlechterbildern gepflegt werden?
Am Praxistag konnten sich Lehrpersonen an einer Vielzahl von Marktständen Unterstützung von Fachleuten und Interessenvertreter:innen holen, damit ihre Schüler:innen Zuhören und Sprechen üben können, zum Beispiel am Marktstand zu gewaltfreier Kommunikation, am Marktstand von Pfadi Schweiz zum Umgang mit Unterschieden innerhalb von Jugendgruppen, oder an weiteren Ständen, die Migration, Geschlecht oder Armut thematisierten, zum Beispiel der bereits erwähnte Stadtrundgang von surprise.10 Lehrpersonen können von ausserschulischen Fachleuten und Advocacy Groups Fachwissen einholen und Perspektiven kennenlernen, um mit ihren Schüler:innen ausgewogen über dringende Themen zu sprechen und Solidarität in unserer Gesellschaft zu verankern.
5. Darum macht Solidarität in ERG Sinn
Eine einzige Lektion für ERG ist auf den ersten Blick fahrlässig wenig. Gemeinsam mit vielen Lehrpersonen frage ich mich, wie man den Lehrplan umfänglich einlösen, die Klassenstunde verantwortungsvoll und an immer neue Situationen angepasst durchführen und die Jugendlichen im Hinblick auf ihre Berufswahl angemessen begleiten kann? Der Fokus Solidarität kann einen Beitrag dazu leisten, dieses Dilemma zu entschärfen.
Zentral dabei ist erstens, dass sich Solidarität von unterschiedlichen fachlichen und thematischen Richtungen her denken lässt und sowohl innerhalb von ERG wie auch darüber hinaus interdisziplinär anschlussfähig ist. So hat zum Beispiel die immer wieder neu aufgenommene menschliche Suche nach solidarischen Verhältnissen eine Geschichte, Menschen haben im Verlauf der Zeit unterschiedliche Argumente und Praktiken erarbeitet, die Solidarität ermöglichen. Diese Tradition zu kennen, ist wertvoll. Welche dieser Werkzeuge sind in der Gegenwart oder Zukunft hilfreich? Welche nicht? Fehlende Solidarität ist Thema von Büchern und Tagesnachrichten. Dieser Fokus ist und bleibt, mit anderen Worten, relevant.11
Aufgrund seiner interdisziplinären Anschlussfähigkeit kann der Begriff zweitens Fachinhalte bündeln. Die Konzentration auf Solidarität ist entlastend: Sowohl in verschiedenen Religionen ist Solidarität ein wichtiges Thema wie auch in Philosophie, Gemeinschaft und in der Klassenstunde. Der Fokus erlaubt eine exemplarische Themen-Auswahl, weil Solidarität im hier vorgesellten Sinn die Kompetenzen aller Fächer kumulativ zusammenbringt. Der wiederkehrende rote Faden bietet explizit und implizit Orientierung und Transfermöglichkeiten für Lehrpersonen und Schüler:innen, zum Beispiel in die Klassenstunde, in der ein Konflikt bearbeitet wird oder in die Unterrichtseinheit zu Landbesitz in BNE.
Mit dem Fokus «Solidarität» im Kopf können Lehrpersonen anhand von Beispielen Kompetenzen angehen und Themen wählen, die durch die Vernetzungsmöglichkeiten Raum für gemeinsames Lernen schaffen. Sie befähigen ihre Schüler:innen dazu, als Erwachsene Verantwortung für die Demokratie in ihrer diversen Gesellschaft zu übernehmen und sich konstruktiv einzubringen. Anders als «Toleranz», die in der Ichbezogenheit stecken bleiben kann, fordert «Solidarität» zum Perspektivwechsel auf, bei dem das eigene Handeln vom Ganzen aus gesehen wird.(Bauman 2009, 63) Sei das Ganze nun die eigene Klasse oder der ganze Planet.
Um wieder zum Anfang zurückzukommen: So kann «zusammenbringen» funktionieren. Es ist notwendig und fruchtbar, Didaktik von der aktuellen politischen und der aktuellen theoretischen Ebene her zu denken. Das Theoretische kann das Praktische sinnvoll beeinflussen. Zugleich muss auch das Umgekehrte gelten: Was hört die Theorie von der Schulpraxis? Und was lässt sich davon ausgehend kreativ weiterdenken? Die praktischen Unterrichts-Beispiele die Auseinandersetzung mit der Ausstellung «Mensch, du hast Recht(e)!» zeigen, wie der Begriff Solidarität zu einer didaktischen Perspektive wird, die weit über ein thematisches Schlagwort hinausgeht. Als roter Faden bietet Solidarität einen tiefgehenden Zugang zu aktuellen Fragen und schafft ein integriertes, interdisziplinäres Lernumfeld. Dies erleichtert nicht nur die Unterrichtsvorbereitung, sondern ermöglicht es den Schüler:innen, ein ganzheitliches Verständnis von Gemeinschaft und Verantwortung zu entwickeln.
Ausgerichtet auf Solidarität entsteht so Orientierung: Schwerpunkte für den Unterricht lassen sich gewichten und die überwältigende Menge an Themen, Anliegen und Fragen, die vielen Leser:innen des Lehrplans nur schwach verbunden erscheinen, reduziert sich, indem sie sinnvoll zusammen kommt.
Der Fluchtpunkt oder Horizont «Solidarität» ermöglicht es Lehrpersonen, aktuelle Fragen verbindend zu behandeln. Dadurch verändert sich Unterricht: Er wird leichter und konsistenter. Wenn Lehrpersonen die Kompetenzlisten nicht mehr additiv sehen müssen, sondern wenn durch die inhaltlich und didaktisch konsistente Ausrichtung deutlich wird, wie Impulse der Lehrperson miteinander verbunden sind (historisch, politisch, in der eigenen Erfahrung von Schüler:innen), dann klärt sich, was ERG-Unterricht «bringen» kann. Er wirkt auch über das Fach hinaus: Es entstehen Anlässe für Fragen, die sich von ERG aus an RZG, BNE und Politische Bildung, manchmal sogar an naturwissenschaftliche Fächer stellen und vice versa. Fragen, die dann ebenfalls nicht mehr allein für sich stehen, sondern gemeinsam zu einem vertiefenden Verständnis von Welt und sich selbst beitragen.
Literatur
Anmerkungen