Der menschliche Körper als Band zum Göttlichen


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Der menschliche Körper als Band zum Göttlichen

Der Kalender der Religionen zeigt in Bild und Wort die Ritualisierung des menschlichen Körpers

Dutoit, Yves / Girardet, Sabine (2019): Der Körper – Spiegel des Heiligen. Riten und Symbole. Kalender der Religionen September 2019 – Dezember 2020, hrsg. v. Éditions Agora / IRAS COTIS, Lausanne.
Von Sarah Gfeller

Die diesjährige Ausgabe des «Kalender der Religionen» widmet sich der Beziehung von Körper und Heiligem. Sechzehn Kalenderfotos und weitere Bilder in der Einführung zeigen die Verbindung von Menschen zum Göttlichen oder zum Absoluten, nach dem sie streben. In allen Religionen und auch in der säkularen Gesellschaft spielt der Körper als ritualisierter Träger dieses Bundes eine wichtige Rolle. Zu Beginn führen drei Doppelseiten sorgfältig ins Thema ein. Danach präsentiert jedes Monatsblatt eine Fotografie, die am Ende des Kalenders von Fachpersonen im Detail beschrieben wird.

Körperhaltung und -beherrschung, Reinheit und rituelle Gewänder

Für das körperliche Band vom Menschen zum Göttlichen gibt es vielfältige Ausdrucksformen. Beispielsweise zeigt es sich bei Ritualen in verschiedenen Körperstellungen und Symbolgesten. So werden zum Gebet die Hände gefaltet oder kniend mit der Stirn der Boden berührt. Für das öffentliche Klageritual wurden bereits im Alten Ägypten die Arme himmelwärts ausgestreckt, wie uralte Malereien belegen. Gesang und Tanz sind weitere Weisen des Kontakts zum Göttlichen. Diese werden etwa in gesungenen Gedichten und dem Drehtanz der sufistischen Derwische zelebriert. In der Voodoo-Religion charakterisiert der Körper in Bewegung die Verbindung zum angerufenen Geist.

In vielen Religionen ist äussere wie innere Reinheit eine wichtige Form der Beziehung zum Heiligen. Reinigungshandlungen wie die Waschung vor dem muslimischen Gebet oder ein Bad im als heilig geltenden Ganges in Indien zeugen davon.

Dem Göttlichen oder Absoluten wird auch in verschiedenen Askeseformen und der Beherrschung oder Disziplinierung des Körpers begegnet. Einige Religionen kennen strenge Essensvorschriften oder das Gebot des Fastens. Spirituelle Übungen, Meditation oder Yoga, die ihren Ursprung in fernöstlichen Religionen haben, sind in westlichen Gesellschaften längst weit verbreitet.

In zahlreichen religiösen Ritualen spielen Kleidung und Schmuck eine zentrale Rolle. Gläubige Juden und vermehrt auch Jüdinnen tragen zum Gebet Schal und Gebetsriemen, indianische Schamanen ziehen als Mittler zu Naturgeistern Kopfschmuck und Halskette an. Bei den Aborigines und den Massai zeigt sich die Verbindung zum Heiligen in Körperbemalungen. Die Sikh dürfen aus Respekt vor der Schöpfung weder Körper- noch Kopfhaare schneiden. Verschiedene Traditionen kennen Tätowierungen oder Hautritzungen.

Der Inszenierung des Körpers wird auch im nicht-religiösen Kontext viel Bedeutung beigemessen. So wird der Körperkult durch einen spezifischen Haarschnitt, Tattoos oder Piercings gelebt. Der menschliche Körper kann durch intensive Fitnesstrainings, Schönheitschirurgie oder gar Genetik optimiert werden. Alle diese Zeichen symbolisieren eine bestimmte Identität oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe.

Die Ritualisierung des Körpers wird im Kalender umfassend als universelles Phänomen betrachtet. Mit den eindrucksvollen Bildern und fundierten Texten schafft die Publikation einen Zugang zu einer Thematik, die an die Lebenswelt von Jugendlichen bestimmt anschlussfähig ist.

Kalender off- und online

Im eigentlichen Kalenderteil erläutert der «Kalender der Religionen» wie jedes Jahr wichtige Feste und Feiertage aus verschiedenen Religionen, ethnischen Traditionen und der Zivilgesellschaft.

Die Begleitmaterialien, die via persönlichem Code auf der Website www.ir-kalender.ch zugänglich sind, sind leider bis dato noch nicht erschienen. Jedoch gibt es Zugriff auf die Festdaten und die entsprechenden Beschriebe. Die Feiertage lassen sich zudem chronologisch, nach Monaten oder Traditionen ordnen. Weiterhin ist das Begleitmaterial der früheren Kalender einsehbar.

Artikelnachweis
Gfeller, Sarah (2019): Der menschliche Körper als Band zum Göttlichen. Der Kalender der Religionen zeigt in Bild und Wort die Ritualisierung des menschlichen Körpers, in: erg.ch – Materialien zum Fach Ethik, Religionen, Gemeinschaft (Online-Publikation), www.ethik-religionen-gemeinschaft.ch/gfeller-band-zum-goettlichen/

Über Sarah Gfeller

Sarah Gfeller, Primarlehrerin und Psychologin, ist Co-Leiterin des Fachbereichs Medien und Beratung Religion, Ethik, Lebenskunde (MBR) am Institut für Weiterbildung und Medienbildung der PHBern.