Der «Junge von nebenan» und die Feiertage
Eine erfrischende Dokumentarreihe zu Weihnachten, Pfingsten und Ostern mit fragwürdigen Animationselementen
FEIERTAG! Sengelmann sucht Weihnachten, Dokumentarfilm, 29′, Deutschland 2014, auf DVD und Online: www.
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FEIERTAG! Sengelmann sucht Pfingsten, Dokumentarfilm, 29′, Deutschland 2014, auf DVD und Online: www.
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FEIERTAG! Sengelmann sucht Ostern, Dokumentarfilm, 29′, Deutschland 2015, DVD.
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Bürger, Peter (2015): Arbeitshilfe FEIERtag!, Frankfurt a. M., auf DVD und Online: www.
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Fragen und mögliche Antworten hierzulande …
Julian Sengelmann, Theologe und Schauspieler, begibt sich im Rahmen der dreiteiligen Dokumentarserie auf die Suche nach den Ursprüngen und der Bedeutung der drei christlichen Feiertage Weihnachten, Pfingsten und Ostern. Sengelmann interessiert, warum wir eigentlich Ostern feiern und was dieses Fest mit Eiern und Hasen zu tun habe. Er will wissen, was es mit dem Pfingstwunder auf sich habe und wie man sich die angeblichen Himmelserscheinungen und das Zungenreden vorstellen könne. Er fragt, was an Weihnachten passiert sei und woher die Legende des Sankt Nikolaus komme.
Als «Unwissender» macht sich Sengelmann auf die Suche nach Antworten: Auf Hamburgs Strassen erhält er vielfältige und teils ausgefallene Auskünfte darüber, warum man an Ostern frei hat. Besucherinnen und Besucher eines indischen Holifestes, das sich in Deutschland zunehmender Beliebtheit erfreut, stellen Vermutungen an, was denn eigentlich an Pfingsten passiert sei. Auf dem Weihnachtsmarkt erzählen Menschen, was sie an Weihnachten tun.
Sengelmann zeigt, wie ausgewählte Menschen hierzulande die Feiertage verbringen. So besucht er ein familiäres Osterfest oder wohnt der Taufe eines kleinen Jungen bei und ergründet deren Zusammenhang zum Pfingstfest. Er besucht eine Hamburger Konfirmations-Klasse und führt mit den Schülerinnen und Schülern ein Gespräch darüber, wie Pfingsten in der Bibel beschrieben ist und ob man diesem Beschrieb so Glauben schenken könne.
… und anderswo
Sengelmann reist nach Israel und Palästina, wo er die Ursprungsorte der vermeintlichen Geschehnisse aufsucht. Er trifft dort Religionsvertreter, Wissenschaftler und Gläubige, die über Hintergründe der christlichen Feste berichten oder ihre religiöse Praxis zeigen. So stösst er beispielsweise auf 50 gläubige Touristinnen aus Indien, die in Jerusalem jährlich den Kreuzweg begehen. Er trifft einen Historiker und Archäologen, der erklärt, dass die via dolorosa historisch anders verlaufen sei, als sie heute von Tausenden von Gläubigen beschritten werde. Er besucht in Jerusalems Altstadt eine syrisch-orthodoxe Kirche, angeblich die erste christliche Gemeinde der Welt, in der das letzte Abendmahl und das Pfingstwunder stattgefunden haben sollen. Sengelmann fragt, ob es überhaupt wichtig sei, an den exakt korrekten Orten zu gedenken oder ob nicht viel mehr das Gedenken an und für sich wichtig sei. Er fragt, was man überhaupt wissen könne und was Glaube sei.
Weiter trifft Sengelmann eine deutsche Familie, deren Mitglieder sich am Ende ihrer Pilgerreise nach Israel tätowieren lassen. In diesem Zusammenhang wirft er einen Augenschein auf den lukrativen Aspekt des Tattoo-Brauches und allgemein auf die kommerziellen Begleiterscheinungen der Feiertage. So wird gezeigt, welche religiösen Souvenirs man an Marktständen in Bethlehem kaufen kann oder wie Weihnachten auf der Reeperbahn in Hamburg vermarktet wird.
Zeitgemässer Zugang zu Festtraditionen
Die drei Dokumentarfilme ermöglichen wertvolle Einblicke in gelebte Festtraditionen und – durch Julian Sengelmanns kritische Fragen – eine Reflexion über den Ursprung und die Bedeutung der drei wichtigsten christlichen Feiertage. Sie widerspiegeln überdies ein realistisches Bild über gesellschaftlich verbreitetes (Un-) Wissen und individuelle Haltungen betreffend dieser Feiertage. Dabei wird offensichtlich, dass Aspekte wie Gemeinschaft, Zusammensein und Erlebnis bei vielen Menschen im Vordergrund stehen.
Wegen der Passanten-Interviews und der Anteilnahme an familiären Festtraditionen schaffen die Dokumentarfilme eine Verbindung zur realen Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Durch die Mischung aus verschiedenen methodischen Formaten erreichen sie einen abwechslungsreichen und anregenden Zugang zur Thematik. Sie kommen erfrischend modern daher, nicht zuletzt wegen des jugendlichen Wesens Julian Sengelmanns, der eine Art «Junge von nebenan» verkörpert und Kinder wie Jugendliche als potentielle Identifikationsfigur ansprechen dürfte.
Vorsicht bei den Animationsfilmen und den didaktischen Materialien
Zwischen den Interviews und Dokumentationen werden wiederholt animierte Filmsequenzen platziert, die historische oder inhaltliche Zusammenhänge erläutern sollen. So wird beispielsweise das Pfingstwunder durch vom Himmel herabtretende Feuerzungen illustriert, die Jesus und die Jünger heimsuchen. Die Erfüllung durch den heiligen Geist wird durch ein Licht charakterisiert, das Gesichtszüge im Nu erhellt und die Figuren sofort fremde Sprachen sprechen und verstehen lässt. Biblische Erzählungen werden hier als historische Ereignisse dargestellt und damit unzureichend und unzulässig übersetzt. Vom unreflektierten und unkommentierten Unterrichtseinsatz der animierten Szenen wird deshalb abgeraten.
Die Dokumentationsreihe enthält eine Arbeitshilfe, die Impulse, Hintergrundinformationen und Arbeitsaufträge zu den drei Festen umfasst. Die Arbeitsblätter sind sehr anspruchsvoll und daher eher für ältere Schülerinnen und Schüler geeignet – obwohl das empfohlene Einsatzalter für die drei Dokumentarfilme mit neun bis zehn Jahren angegeben wird. Das didaktische Material ist allgemein sehr textlastig und optisch leider nicht sehr ansprechend gestaltet.
Unterricht mit Teilsequenzen
Für den Unterrichtseinsatz ist die Arbeit mit einzelnen Teilsequenzen wohl sinnvoller, als die Filme in voller Länge zu zeigen, auch aufgrund der erwähnten Vorbehalte gegenüber den Animationsfilmen. Verschiedene unterrichtliche Bearbeitungsmöglichkeiten sind denkbar: Schülerinnen und Schüler können beispielsweise selber Umfragen durchführen und sich ein Bild des vorhandenen Wissens über Feiertage in der breiten Bevölkerung oder in ihrem Umfeld machen. Wie verbringen die Kinder und Jugendlichen selbst die drei Festtage? Welche Fragen rund um die Feiertage beschäftigen sie? Welchen Aspekten möchten sie nachgehen und welche Optionen dazu gibt es? Welche Expertinnen und Experten könnten befragt werden? Welche weiteren Festtage gibt es? Kinder mit verschiedenen religiösen und kulturellen Hintergründen und Prägungen könnten dabei ihre eigenen Festtraditionen erkunden und vorstellen.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Dokumentarfilmreihe lohnenswertes und gehaltvolles Unterrichtsmaterial bietet, einzelne angesprochene Teile jedoch nicht vorbehaltlos einsetzbar sind. Es bleibt zu hoffen, dass das aus der Reihe entstandene, demnächst erscheinende Taschenbuch «Feiertag! Die Bedeutung unserer religiösen Feste» diese Gegensätze aufzuheben vermag.