Wie Respekt entsteht
Vier Dokumentarfilme über Feste, kulturelle Prägungen und gegenseitige Annäherung
Praesens-Film / Schweizer Radion und Fernsehen (2015): Cervelat trifft Baklava: Fremde Feste feiern, vierteilige Reality-Doku, Zürich.
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Schweizer, die wegen des anhaltenden Regens keine Fische gefangen haben und beim traditionellen Fischessen kurzerhand Cervelat auftischen. Albanerinnen, die in einer mehrstündigen Prozedur Baklava für eine Hochzeit vorbereiten und dabei Handgriffe anwenden, die nur ganz wenige beherrschen. Kongolesinnen und Kongolesen, die auf dem Vorplatz ihres Wohnblocks Fleischgerichte für eine Hochzeitsfeier braten: Dies und vieles mehr zeigt die vierteilige Dokumentationsreihe vom Schweizer Radio und Fernsehen, in der jeweils zwei Schweizerinnen und Schweizer zwei «Ausländerinnen und Ausländer» dabei unterstützen, ein Fest zu organisieren. Auf diese Weise werden alle Porträtierten mit Erfahrungen konfrontiert, die ihnen bisher unbekannt waren.
Geschenkübergabe der besonderen Art
Zwei medizinische Praxisassistentinnen mit Schweizer Herkunft begleiten die Hochzeitsfeierlichkeiten eines türkisch-albanischen Paares. Verschiedene Aufgaben, wie etwa die Besorgung von Henna für die Henna-Nacht oder die Beratung für den Brautkleid-Kauf, erledigen die beiden mit Freude. Sogar einen «roten Teppich» in der Lieblingsfarbe der Braut haben sie besorgt. Bei den Vorbereitungen des Festsaals und der Tischdekoration, liegen aber dann die Nerven kurzzeitig blank. Nicht alles läuft so, wie es sich die zwei Helferinnen vorgestellt haben. Und bei der traditionellen Übergabe der Hochzeitsgeschenke geraten die beiden Schweizerinnen ins Staunen …
Gelassenheit in der Vorausplanung
Zwei Freunde, ein Polizist und ein Mitarbeiter im Jugendstrafvollzug, stehen einer nepalesischen Mutter und ihrer Tochter tatkräftig zur Seite bei der Organisation des nepalesischen Neujahrsfests. Nach anfänglicher Skepsis übernehmen die beiden Männer den Kauf von Blumen und können sich sogar bald für das gemeinsame Basteln von Girlanden erwärmen. Im Gegenzug werden die Schweizer von den beiden Frauen anlässlich der Neujahrsfeierlichkeiten traditionell nepalesisch eingekleidet. Beim Fest wollen die beiden «ihren Mann stehen», falls einige Gäste zu tief ins Glas schauen. In punkto Organisation läuft jedoch Einiges nicht so, wie die beiden Freunde gewohnt sind. Und so muss eine Nachtschicht eingelegt werden …
Von der Herausforderung, dunkelhäutige Hochzeitspaar-Figürchen aufzutreiben
Zwei Bewohner einer Wohngemeinschaft unterstützen die Hochzeitsvorbereitungen eines kongolesischen Paares. Unterschiedliche Vorstellungen über den Zweck und die Notwendigkeit einer Heirat treffen aufeinander: Auf der einen Seite die Schweizer Juristin, die viele Scheidungen durchführt und bereits seit mehreren Jahren unverheiratet mit ihrem Partner zusammen ist – auf der anderen Seite die kongolesische Frau, deren wichtigstes Anliegen es ist, ihre Ehe vor Gott zu schliessen. Die schwierigste Aufgabe für die beiden Schweizer ist die Suche nach einem dunkelhäutigen Hochzeitspaar als Verzierung für die Hochzeitstorte. Da ein solches schlicht nicht aufzufinden ist, legen Nathalie und Reto im letzten Moment selbst Hand an …
Der Zauber des hinduistischen Priesters
Ein dreizehnjähriges Mädchen erhält für sein tamilisch-hinduistisches Pubertätsfest Hilfe von einer Schweizer Frau und ihrer Tochter. Weil das tamilische Mädchen die einzige Tochter der Familie ist, hat diese vier Jahre lang für das Fest gespart. Der daraus resultierende Pomp sowie die Dauer der Feierlichkeiten und die unzähligen Fotos verblüffen die beiden Schweizerinnen. Die von den Helfenden zu Beginn geäusserten Vorbehalte gegenüber Hindus, Moslems und dunkelhäutigen Männern mit Bart entkräften sich spätestens nach dem Kennenlernen des hinduistischen Priesters, der die für die Zeremonie benötigten Krüge segnet …
Vielfältige unterrichtliche Bearbeitungsebenen
Die Dokumentationsreihe ermöglicht gehaltvolle Einblicke in Festtraditionen unterschiedlicher kultureller Gemeinschaften und illustriert, wie vielfältig Lebensweisen in der Schweiz sind. Es wird dargestellt, wie Menschen mit der Herausforderung umgehen, sich in zwei – teilweise sehr verschiedenen – Lebenswelten zu bewegen. Die Filme zeigen, wie aus Neugier und Interesse gegenseitiges Verständnis entstehen kann.
Das Filmmaterial bietet Gelegenheit zum Kennenlernen von (religiösen) Festtraditionen und den damit verbundenen Praktiken. Darüber hinaus gibt es Anlass zu verschiedenen lohnenswerten unterrichtlichen Bearbeitungsdimensionen: Die Filme eignen sich als Grundlage, um mit Schülerinnen und Schülern im 3. Zyklus oder der Sekundarstufe II gesellschaftlich geprägte Stereotype und Vorurteile zu thematisieren. Unterstützung dabei bieten die Bemerkungen der Kommentatorin Susanne Kunz, die sachlich und humorvoll kritische Anmerkungen und Fragen aufwirft.
Was meinen wir, wenn wir von «uns» und «den anderen» sprechen, oder dass dies oder jenes «bei uns» Brauch sei? Was bedeutet die Aussage, man habe «eigentlich» nichts gegen Ausländerinnen und Ausländer, aber bei einer Polizeikontrolle mit mehr als zehn Migrantinnen und Migranten sei einem «nicht mehr wohl»? Wann ist jemand eine «Ausländerin» oder ein «Ausländer»? Wie können wir sprachlich mit angemessenen Begrifflichkeiten differenzieren?
Zudem ermöglichen die Dokumentarfilme eine vertiefte Auseinandersetzung über das Rollenverständnis von Frau und Mann. Was bedeutet die Aussage, dass bei Festen gewöhnlich die Frauen die Dekorationsarbeit übernehmen würden, während die Männer für den Grill zuständig seien? Wo und weshalb gibt es unhinterfragte Vorstellungen über die Arbeitsteilung von Mann und Frau?
Die Filme eignen sich, Sensibilität für verbreitete Alltags-Klischees zu schaffen. Damit sollen die Protagonistinnen und Protagonisten der Dokumentarfilme keineswegs an den Pranger gestellt werden, sondern als exemplarische Vertreterinnen und Vertreter unserer Gesellschaft anregen zur Reflexion über Denkweisen, Meinungen und Einstellungen.
In allen vier Porträts ist zu beobachten, wie sich die Helfenden und die Gastgeber des Festes bald ans Herz wachsen. Die vier filmischen Episoden sind Beispiele dafür, wie durch Offenheit ein wahres Kennenlernen entstehen kann und wie sich anfängliche Skepsis oder gar Vorurteile in aufrichtiges Interesse, Wohlwollen und gegenseitigen Respekt wandeln können.