Soziale Basiskompetenzen
Die Ausbildung von Lehrpersonen im Modul «Selbstfairständlich fair»
Die Entwicklung sozialer Basiskompetenzen wie Selbstvertrauen, Perspektivenübernahme und Konfliktfähigkeit soll bereits im Kindergarten gefördert werden. Diese sind Grundlagen des sozialen und moralischen Verhaltens der Kinder im Schulalltag und tragen je nach Ausprägung wesentlich zur gelingenden Entwicklung junger Menschen bei. Für angehende Lehrpersonen findet der Aufbau entsprechender Kompetenzen im interdisziplinären Bereich von Sozial- und Sachunterricht sowie Bewegung und Sport gute und praxisnahe Umsetzungsmöglichkeiten. Ein Ausbildungsmodul der PH Solothurn (FHNW) in den Jahren 2005 bis 2009 im Rahmen der entwicklungsorientierten Didaktik zeugt von dieser befruchtenden Zusammenarbeit in einem nicht nur für den Zyklus 1 wichtigen schulischen Querschnittsthema.
Inhaltliche Situierung im Studiengang für Zyklus-1-Lehrpersonen
Mit dem sinnigen Titel «Selbstfairständlich fair», der thematisch bereits zu Gedanken und Reflexion einlädt, sollten die Zyklus-1-Studierenden schon bei der Wahl der Veranstaltung auf mögliche Aspekte des sozialen Handelns sensibilisiert werden. Die während des 5. Semesters wöchentlich abgehaltenen Seminare (90 Minuten) stützten sich auf einen theoretischen Input über die Basiskompetenzen seitens der Fachdidaktik Sozial- und Sachunterricht und der Erschliessung des Themas als Unterrichtsgegenstand für den Sozial- und Sachunterricht. Dies wurde von der Sportfachperson an einem handlungsorientierten Beispiel in bewegte Spiel- oder Übungsformen umgesetzt und konkretisiert. Der Bereich Bewegung und Sport eignet sich für die praktische Umsetzung hervorragend, werden doch entsprechende Äusserungen und mögliche Probleme im handlungsorientierten Setting des Sportunterrichts sehr augenfällig. Bei der Organisation von Sport stellen sich für die unterrichtende Lehrperson häufig konfliktträchtige Situationen, die eben diese sozialen Basiskompetenzen arg strapazieren und nicht selten zum Abbruch von Lektionen führen.
Ziel des Moduls war, die stufenspezifischen Kompetenzen künftiger Zyklus-1-Lehrpersonen im besagten Bereich so aufzubauen und zu entwickeln, dass sie entsprechende Lehr- und Lernarrangements im Unterricht sinnvoll und zielführend einsetzen können. Erlebte Erfahrungen wurden mit theoretischen Erkenntnissen verlinkt und für die Praxis abrufbar gemacht.
Als Literaturgrundlage für die verschiedenen Veranstaltungen und Themenbereiche dienten Auszüge aus verschiedenen Grundlagenwerken zu Themen der sozialen Partizipation (Sturzbecher/Grossmann 2003) und Fairplay (Hotz/Luther 1998).
Überblick über das Modul «Selbstfairständlich fair»
Die Studierenden werden in Form eines Postenlaufs in das Modul eingeführt. Der Postenlauf gibt ihnen einen Überblick über die Absichten und Ziele des Moduls sowie über die acht sozialen Basiskompetenzen, die das inhaltliche Gerüst bilden:
- «Ich schaff‘ das schon allein!»: Förderung von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserleben
- «Geh weg – ich bin wütend!»: Förderung emotionaler Kompetenzen
- «Meine Sicht – deine Sicht»: Förderung der Perspektivenübernahme
- «Das ist nicht fair»: Werte und Moralerziehung in Kindergarten und Unterstufe
- «Das ist aber meins!»: Konflikterziehung im Kindergarten und Unterstufe
- «Gemeinsam sind wir stark!»: Kooperationsförderung in Kindergarten und Unterstufe
- «Was macht die wieder hier? – Sie darf nicht mitmachen!»: Unbeliebte Kinder, Risikogruppen, Verhaltensauffälligkeiten
- «Das ist unsere Schule! – unser Kindergarten!»: Partizipationsförderung und Aushandlungskompetenz
In den wöchentlichen Seminaren stimmten sich die Studierenden mit einem Leseauftrag inhaltlich auf ein spezifisches Thema ein, das dann in der Sporthalle oder draussen mit entsprechenden bewegten Formen verdeutlicht und konkretisiert, sowie mit der Fachdidaktik Sachunterricht vernetzt wurde.
«Ich schaff das schon allein!»: Förderung von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserleben
Stichworte aus der Lektionsvorbereitung des Sportdozenten
Einlaufen mit Musik (diverse Laufformen, Stretching individuell)
Aufstellen des Parcours mit zwölf «Selbstvertrauensposten»; Laminierte Blätter sind vorbereitet; dort wo noch Material nötig ist, wird es von den Studierenden ergänzt.
Durchlaufen der Posten und Sammeln von Notizen auf vorbereiteten Blättern.
- Posten 1: Sprung von der Sprossenwand ins Feuerwehr-Sprungtuch
- Posten 2: Abfaller vom Fensterbrett in die Hände der andern
- Posten 3: Reifenparcours hüpfen können
- Posten 4: Moonhopper
- Posten 5: Jonglieren
- Posten 6: Zigarrenschachtel
- Posten 7: Kiwidoo
- Posten 8: Bilboquet
- Posten 9: Balancieren auf der Langbank
- Posten 10: Kletterwand erklimmen
- Posten 11: Auf dem Fass balancieren können
- Posten 12: Sprung an Trapez
Reflexion
Welche Posten eigenen sich spezifisch für den Zyklus 1, welche können auch im Zyklus 2 eingesetzt werden? Die Studierenden vernetzen die Übungen mit wichtigen Aspekten für den Aufbau der sozialen Basiskompetenzen und den Unterrichtszielen des Sachunterrichts.
Die Studierenden legen ein «Minibook» an, in dem sie ihre Erfahrungen und Reflexionen sowie stufenspezifischen Spiel- und Übungsformen (im Sport und anderswo) zusammenstellen.
Beispiel eines möglichen Minibooks-Eintrags
«Ich schaff das schon allein!»: Förderung von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserleben | |
Titel Übungsform | Auf der Langbank balancieren (Posten 9) |
Lernziel | Die Kinder festigen das Balancieren und gewinnen Selbstvertrauen |
Beschreibung | Die Kinder balancieren auf Langbank hin und her: vorwärts, rückwärts, seitwärts |
Steigerung | Langbank umdrehen, auf schmaler Seite balancieren |
Variationen | Die Kinder kombinieren das Balancieren mit «Kunststücken» (mit verschiedenen Bällen, Frisbees, usw.)
Langbank auf einige Stäbe oder dicke Matte stellen Langbank zwischen zwei Kästen 50–100 cm über dem Boden fixieren |
Abschluss und Erfahrungsbericht
Die Studierenden haben die Arbeit an praxisnahen Beispielen aus dem Bewegungs- und Sportunterricht sehr geschätzt. Mit dem «Minibook» erstellten sie eine grosse Sammlung selbst erprobter Spiel- und Übungsformen für die Entwicklung der sozialen Basiskompetenzen in ihrem späteren Berufsfeld. Die theoretische Vernetzung mit wegleitender Literatur gab der ganzen Veranstaltungen den nötigen erziehungs- und sozialwissenschaftlich fundierten Rahmen. Die Zusammenarbeit mit der Sachunterrichtsdidaktik zeigt, wie die Erfahrungen im Sportunterricht zum Thema, zur unterrichtlichen Fragestellung im Sachunterricht werden können. Das «Minibook» stellte für die zukünftigen Lehrpersonen eine «für die Praxis nützliche Lehr- und Lernunterlage» dar.
Von Seite der Dozierenden wurde die interdisziplinäre Zusammenarbeit sehr geschätzt. Es tat und tut gut, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und die eigenen theoretischen Konstrukte der Lehre hinsichtlich Praxistauglichkeit und Wissenschaftlichkeit zu überprüfen. Die Schulfächer und mit ihnen die Kinder, die letztlich am Ende aller Bildungsinteressen stehen, können von solchen Kooperationen nur profitieren.