Digitales Lernen im Religions- und ERG-Unterricht
Das Projekt RELab digital an der Universität Würzburg[1]
1. Digitalisierungsprozesse im Bildungsbereich
Viele Schulen «glänzen» derzeit mit digitalen Klassenzimmern, damit, dass sie Digitalisierungskonzepte vorlegen, dass sie Schwerpunkte bilden, um ihre Schülerinnen und Schüler fit für die digitale Zukunft zu machen. Grundsätzlich ist dieses Vorgehen zu unterstützen. Denn immer mehr Lebenswelten werden immer stärker digitalisiert.
Man kann sogar sagen: Die Digitalisierungsprozesse vieler existentieller Bereiche des alltäglichen Lebens sind bereits nahezu abgeschlossen. Das Finanzsystem baut schon länger auf digitale Transfersysteme auf, im Gesundheitssystem bestimmen digitalisierte Wahrscheinlichkeitsrechnungen mit komplexen Faktoren die Kalkulation von Policehöhen; viel diskutiert und immer besser bekannt sind inzwischen digitale Assistenzsysteme wie etwa solche, die Bahnübergänge oder die Bremsen von Autos steuern. Ein Zusammenspiel aus Big Data und Algorithmen wirkt in existentielle Bereiche des Lebens und u. a. in identitätsstiftende Prozesse ein.
Dabei prägt die Digitalität insbesondere die Art und Weise der Informationsbeschaffung («googeln»), der Verbreitung von Informationen («teilen») und der Bewertung von Informationen («kommentieren»). Die sogenannte Digitalisierung verändert damit sukzessive das private, aber auch das berufliche Leben. Das Verhältnis von Privatsphäre und Öffentlichkeit und ebenso das Verhältnis von Freizeit und Arbeitszeit sind weniger denn je klar abgrenzbar.
Digitalisierungsprozesse provozieren Grenzüberschreitungen und damit spitzen sich Fragestellungen, die es vor der «digitalen Revolution» zum Teil auch schon gab, weiter zu. Doch es geht schulisch gesehen neben dem Reflektieren über Medien (-inhalte) und die Auswirkungen von Digitalisierungsprozessen um ein weiteres, hoch dynamisches Feld: das Implementieren von digitaler Technik in Lernprozesse und Bildungsräume. Es geht kurz gesagt um beides gemeinsam: das Lernen mit und durch digitale Informations- und Kommunikationstechnik (IKT).
Liest und hört man Nachrichten aus den deutschen Kultusministerien oder schweizerischen Erziehungsdirektionen, wird schnell klar: Die Implementierung von digitaler Technik ist nicht nur irgendwie modern, sondern es ist ein Zukunftsthema (u. a. Künstliche Intelligenz (KI), Assistenzrobotik, Digitale Medizin und die Arbeitswelt 4.0) von entscheidender Bedeutung. Auch deshalb werden nicht nur in Deutschland und der Schweiz, sondern europaweit viele Investitionsprogramme gestartet. Ein grosses Thema ist der Umbau von Industriebetrieben, aber auch die Digitalisierung des Bildungsbereichs erhält zunehmend Aufmerksamkeit.
Deutschland z. B. belegt im Ranking weltweiter Bildungsstandards zum Thema Digitalisierung meist nur mittlere Plätze.[2] Das Problem wird oft in der ausbaufähigen IT-Ausstattung an Schulen gesucht. So gibt etwa die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer (48 Prozent) an, dass sie gerne öfter digitale Medien im Unterricht nutzen würde, dies am häufigsten aber an fehlenden Geräten (43 Prozent) scheitert.[3] Inzwischen haben zwar alle Schulen einen Internetzugang und in beinahe jeder zweiten Schule (46 Prozent) gibt es Internet in allen Räumen.[4] Oft ist jedoch zu hören, dass schnelle Breitbandanbindung für alle Schulen nötig ist. Gerade in nicht städtischen Regionen ist hier noch erhöhter Bedarf.
Aber es steht damit zugleich eine tiefergreifende Veränderung in der Schulkultur an. Waren und sind Schülerinnen und Schüler an sehr vielen Schulorten noch immer dazu gezwungen, ihre Smartphones und Tablet-PCs während der Lernzeit in der Schultasche zu lassen, sollen sie nun (möglicherweise weiterhin mit den mobilen Endgeräten in der Schultasche) im Unterricht online gehen. Unterschiedliche Konzepte werden erprobt: Tablet-Klassen verbreiten sich mehr und mehr, zugleich wird «bring your own device» (BYOD) in deutschen und schweizerischen Schulen zunehmend getestet.
Auf der Seite der Lehrkräfte hatte und hat sich in den letzten Jahren unter Vielen nicht zu Unrecht eine kritische Distanz zu dieser Entwicklung ausgebildet. Zurecht hatte und hat man sich auf die Einsicht besonnen, dass Pädagogik etwas anderes ist als Technikintegration. Paul Hopkins, unser Kooperationspartner im Projekt RELab digital von der University Hull upon Kingston in England, ein Spezialist für Digitalisierung im Bildungsbereich und zugleich auch Theologe, greift die durchaus angebrachte kritische Zurückhaltung von vielen Lehrkräften gegenüber digitalen Medien im Unterricht mit folgender Frage auf: «Welche klar ausweisbaren Verbesserungen bringt die Integration von digitaler Technik in Lernprozesse ein?» Diese Frage ist für uns zur Leitfrage in der Projektentwicklung geworden. Sie muss im Grunde für jede einzelne Unterrichtssequenz, in der digitale Medien genutzt werden, gestellt und dann auch konkret beantwortet werden können.
Auf der anderen Seite ist klar, dass es auch einfach eine technische Entwicklung gibt, die ältere Medien ablöst wie z. B. den Einsatz von Overhead-Projektoren im Unterricht. So werden analoge und ältere elektronische (Overhead-Projektor und Fernsehgerät) durch digitale Geräte (PC und Beamer) ersetzt. Doch Substitution ist nur eine und zudem eine relativ wenig verändernde Dimension von Digitalisierungsprozessen im Bildungsbereich. Die Bildungspotenziale digitaler Medien werden unterschätzt, wenn allein substituierende Funktionen im Blick blieben. Dies wird klar, wenn man sich das US-amerikanische SAMR-Model vor Augen führt, dass bereits im Jahr 2006 von Ruben Puentedura entwickelt wurde. Es beabsichtigt eine Verbesserung der Technikintegration innerhalb von Bildungsprozessen. An seinem Anfang steht das Modell der Substitution, an der Spitze der Lernpyramide steht die Redefinition.
Redefinition zielt darauf ab zu zeigen, wie und dass Technologie neue Aufgabengebiete kreieren kann, die es bislang so noch nicht gegeben hat. Bildungsprozesse werden in einen Referenzrahmen eingeordnet, dessen Profil mit technischer Innovation beschrieben werden kann. Es ist leicht erkennbar, dass innerhalb dieses Modells keine Reflexion zum ihm zugrundeliegenden Verständnis von Bildung stattfindet. Hier besteht aus der Perspektive nicht nur der Fächer Religion und Ethik, Religionen, Gemeinschaft hoher Bedarf. Technikintegration darf nicht ohne kritische Medienbildung zum Motor derzeitiger Programme zur Implementierung digitaler Lernprozesse werden. Dazu gehört, dass detailgetreu für einzelne Lernprozesse genau überlegt wird, welche Kompetenzerweiterung Digitalisierungsprozesse bringen und wie sich solche in einer grösseren Perspektive auf ein Verständnis von Bildung auswirken.
Als eine wichtige Leitfrage stellt sich dann die folgende heraus: «What do you think are the key learning technologies?». Lehrkräfte, die diese Frage aufnehmen, experimentieren mit digitalen Techniken und setzen sich dafür ein, deren Innovationspotenziale in die ihnen curricular vorgegebenen Lernprozesse einzuarbeiten. Dabei ist unübersehbar, dass Digitalisierungsprozesse dazu dienen können, einen technizistischen Umgang mit Lernprozessen zu fördern. Demgegenüber gilt: Technik an und für sich ist noch kein Gut, dass es zu fördern gälte. Vielmehr ist stets die Frage zu beantworten, mit welcher Intention welche Technik und welche Methodik innerhalb eines Lernprozesses eingesetzt werden soll. Wird diese Frage vernachlässigt, wird das Zentrum pädagogischer Arbeit aufgegeben. Viele verschiedene geistes- und kulturwissenschaftliche Traditionen und nicht zuletzt entwicklungspolitische und ökologische Initiativen schärfen ein, dass Technik häufig mit einem Fortschrittsoptimismus gekoppelt kommuniziert wird, der durchaus Risiken für die Zukunft unseres Planeten, der gesamten Schöpfung, birgt. Wie sehr das Risiko hierzu besteht, zeigt sich selbst innerhalb der Medienpädagogik, die an vielen Stellen innerhalb der gegenwärtigen Diskussionen um Digitalisierungsstrategien Mühe hat, ihre Bedeutung gegenüber der der Informatik zu behaupten.
Auf der anderen Seite: Noch immer denken wir innerhalb der Pädagogik sehr stark an die Inhalte, die in jeder einzelnen Stunde vermittelt werden sollen. Die eingeführte Kompetenzorientierung hat bereits eine Veränderung gebracht, doch ist diese zuweilen nicht so elementarisiert worden, dass man sich tatsächlich die Frage nach dem Wie im Sinne der Lerntechniken gestellt hätte. Vielleicht gehört auch Religions- und ERG-Unterricht gerade zu der Gruppe der Unterrichtsfächer, in deren Fachkultur die Frage nach Lerntechniken und -methoden bislang zu wenig Raum erhalten hat bzw. wenig strukturell verankert gewesen ist. Kurzum: Die Frage nach den Techniken, mit denen Lernprozesse gestaltet werden sollen, ist gerade für diese Fächer herausforderungsvoll.
Wer nun antwortet, dass es das Lesen und Schreiben, vielleicht noch Diskutieren ist, das den Religions- und ERG-Unterricht technisch bzw. methodisch prägt, unterschlägt, dass all diese Tätigkeiten selbst bereits auf Kompetenzen im Umgang mit spezifischen Technika angewiesen waren. Sei es Papier und Stift, sei es sprachliches Artikulations-, sei es grafisches Darstellungsvermögen. Welche Bedeutung sie für die Inklusion oder Exklusion von Schülerinnen und Schülern in einen Lernprozess haben, wird nicht zuletzt deutlich, wenn man interkulturelle Pädagogik, Sonderpädagogik oder inklusive Pädagogik studiert. Es sind bereits einige Arbeiten vorgelegt worden, die zeigen, dass die komplexeren Technologien im Bereich der Digitalisierung, die nun zur Debatte stehen, durchaus Chancen für einen breiteren Zugang zu Lernprozessen bieten als dies die traditionelleren Technologien oftmals eröffnen. Grundsätzlich aber gilt, dass überhaupt die Reflexion auf die Techniken des Lernens für die Pädagogik unbedingt angeraten ist, weil sie unzweifelhaft die Zugänge zu Kompetenzen und Wissensgenerierung massgeblich beeinflussen (werden).
2. Das Projekt RELab digital an der Universität Würzburg
Das Würzburger Projekt «Religiöse Bildung in einer mediatisierten Welt (RELab digital)»[5] greift diese Anforderung auf. Aktuell werden didaktische Konzepte (weiter-) entwickelt als auch Lehr- und Lernszenarien aufgebaut, erprobt und evaluiert.[6] Dabei werden insbesondere Bezüge zu aktuellen Studien aufgegriffen[7] und erweitert. Daneben sind im deutschsprachigen Kontext Einzelbeiträge zur Religionsdidaktik erschienen, die Impulse für ein Lernen mit und über digitalen Medien im Religionsunterricht thematisieren.[8] Ein Transfer in konkrete Unterrichtsszenarien und deren wissenschaftliche Evaluation und Reflexion fehlt jedoch bislang.
Im Projekt stehen Aspekte einer Religionspädagogik im Vordergrund, die über eine blosse Vermittlung von Wissensbeständen hinausgeht und die Lebens- und Aushandlungserfahrungen der Schülerinnen und Schüler mit existentiellen Fragen in, durch und mit digital vernetzten Medien in den Blick nimmt. Soziale Erfahrungen und ihre Bedeutung insbesondere für die emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sowie deren Wertebildungsprozesse sind innerhalb der Transformationsprozesse einer sich digitalisierenden Gesellschaft von einem tiefgreifenden Wandel begriffen.
3. Neue Lehr- und Lernmöglichkeiten
In unserer Definition von digitalem Lernen stehen vor allem die Aspekte des Lernens mit digitalen Medien und über digitale Medien im Vordergrund.
Der Bereich des Lernens über digitale Medien wird durch zahlreiche internationale Studien gefüllt, die insbesondere Kompetenzen benennen, die eine Person im 21. Jahrhundert erwerben sollte. Diese daraus gebildeten Rahmenprogramme wurden in einer Metastudie zu einem «21st century learning frameworks»[9] zusammengefasst (Abbildung 2). Hierbei ist der Bereich Humanistic Knowledge, der in seiner weiteren Untergliederung von Cultural Competence und Ethical & Emotional Awareness spricht, für die Arbeit im Bereich des deutschen Schulfaches Religion wichtig: «Ethical awareness includes the knowledge and skills necessary for success in a culturally diverse society, such as the ability to imagine oneself in someone else’s position and feel with that individual as well as the ability to engage in ethical decision making.»[10] Diese Ergebnisse sind nahezu deckungsgleich mit den Inhalten des schweizerischen Fachs Religion, Ethik und Gemeinschaft gemäss Lehrplan 21 und zeichnen diesem dadurch auch eine besondere Aktualität aus.
Die Autoren des Rahmenprogramms betonen ferner die Ausbildung kultureller Kompetenzen, innerhalb derer es gezielt um Persönlichkeitsentwicklung sowie die Fähigkeit zum Zusammenarbeiten und die Kompetenz der Würdigung von persönlich bedeutsamen Ideen und Gefühlen geht. Verschiedenen religionspädagogischen bzw. -didaktischen Prinzipien und Konzeptionen[11], die der Religionspädagogik in einer mediatisierter Welt zentrale Orientierungen liefern, ist die Dimension der Ethical & Emotional Awareness ebenfalls eigen; innerhalb dieses Projektes soll sie zentrales Gewicht erhalten. Weil digitale Kommunikationen, wie bereits oben gesagt, enorme Immersionen und damit auch starke Emotionen hervorrufen können, entsteht ein erhöhter Bedarf an religiösen Lernprozessen, innerhalb derer ethische und emotionale Aufmerksamkeit und ein verantworteter Umgang mit Emotionen reflektiert und eingeübt wird.
Im Lernen über digitale Medien wurden bereits kulturelle Phänomene virtueller Realitäten theologisch erschlossen und herausgearbeitet, dass und wie Medialität ein Kennzeichen christlicher Religiosität ist[12]. Das Themengebiet Tod, Trauer und Bestattung z. B. stand aus mehreren Perspektiven im Fokus: Tod und Bestattungen in Computerspielen[13], digitalisierte/virtuelle Bestattungskulturen[14], z. B. QR-Codes an Grabsteinen[15] und Facebook als Generator für Erinnerungen[16]. Neben diesen Themen wurden auch Phänomene wie das Bloggen[17] und Konflikte in Internetkommunikationen[18] untersucht.
Die Suche nach ähnlichen kulturellen Phänomenen anlässlich des zuvor aufgezeigten Frameworks wären für die Fachwissenschaft des Fachs Ethik, Religionen, Gemeinschaft eine grosse Bereicherung. Die Reflexion darüber, inwiefern digitale Kommunikationen zur (emotionalen) Manipulation beitragen und ob dies Gemeinschaftsstrukturen angreift wären erste gangbare Schritte.
4. Neue Fragehorizonte
Bei der Auseinandersetzung mit diesem Themengebiet vermittelt sich insgesamt der Eindruck, dass das, was Religion(en) kennzeichnet, zu einem grossen Teil auch in Kommunikationsprozessen zugänglich wird, die digitalisiert und in mediatisierte Welten eingebettet sind. So wird es innerhalb der Fächer Religion und Ethik, Religionen, Gemeinschaft notwendig folgende Fragehorizonte zu bedenken:
- In welchen Kommunikationsformaten wird digital religiös kommuniziert und welche Qualität haben diese Kommunikationen?
- Welche Rolle innerhalb dieser digitalen Kommunikationen kann verschiedenen religiösen Traditionen zugewiesen werden oder sind hier solche Orientierungen nicht erkennbar?
- Welche religiösen Praktiken, auch im näheren Blick auf einzelne religiöse Traditionen, lassen sich in digital-vernetzten Medien identifizieren und welche Kriterien zu ihrer ethischen Beurteilung lassen sich für diese festlegen?
- Sind religiöse bzw. explizit aus einzelnen Religionstraditionen formulierte Beiträge zu Themen von Medienkritik oder Medienbildung auffindbar?
- Welche Impulse gehen von Religionen aus, wenn es um die Diskussion um Digitalisierung der Weltgesellschaft geht?
- Welche Impulse wären wünschenswert, sind bislang aber nicht auffindbar?
Diese Fragehorizonte sind bewusst offen gestaltet, nur marginal exploriert und laden daher zum Ausprobieren ein. Religiöse Bildungsarbeit zu leisten, bedeutet in diesem Zusammenhang a) mehr überdigitale Medien und ihr Verhältnis zu Religion(en) zu lernen und b) sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung in Bezug auf religiöse Themen und Kommunikationen auseinanderzusetzen, um c) Vorschläge zu entwickeln, welche Bedeutung Religion(en) in spezifischen digitalisierten Kommunikationen zukommen sollte.
Daneben lassen sich ebenso Fragehorizonte im Sinne des schweizerischen Faches Ethik, Religionen, Gemeinschaft gestalten, indem die Auswirkungen digitaler Kommunikation auf ethische Meinungsbildung und Handlungsmuster, als auch auf die Auswirkung auf das gemeinsame Miteinander reflektiert werden.
- Welchen ethischen Positionen/Grundlagen folgen bestimmte digitale Praktiken?
- Welche gemeinschaftsstiftenden digital unterstützte Kommunikationsformen lassen sich in der Gesellschaft ausmachen?
- Inwiefern werden bestimme Werte in mediatisierten Welten transportiert?
- Wie lassen sich «digitale Werte» beschreiben?
- Welche kulturellen/religiösen Traditionen lassen sich in digitalen Räumen entdecken und welche Möglichkeiten des Umgangs ergeben sich daraus?
5. Erweiterung des Möglichkeitsraums
Im Bereich Lernen mit digitalen Medien liegen bereits erste Unterrichtsentwürfe[19] und einige exemplarische Anwendungen von Methodensettings[20] für religionspädagogische Fragestellungen vor. Im ausserschulischen Bildungsbereich zeigt sich eine fortgeschrittene Medienintegration in religiösen Bildungsprozessen[21] und internationale Vergleichsmodelle zeigen die Chancen digital-interaktiver Tools[22]. Insbesondere die Bundeszentrale für politische Bildung in Deutschland zeigt in ihrer Werkstatt einige Unterrichtsformate, die eine kollaborative und aktive Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragestellungen begünstigen, auf.[23] Im deutschen Kontext zeigt sich die Einbindung von digitalen Medien in Bildungsprozessen mehr auf einer analogen Ebene, d. h. Bücher werden nur digital abgebildet. Auch das (religions-) didaktische Potenzial von elektronischen Whiteboards wird oft verkannt, wenn sie nur als digitale Tafel eingesetzt werden. Im ausserschulischen Bildungsbereich ist die Medienintegration in religiösen Bildungsprozessen durchaus schon vorangeschritten und internationale Vergleichsmodelle zeigen die Chancen digital-interaktiver Tools.
6. Themengebiete des Projekts RELab digital
Im Würzburger Projekt konzentrieren wir uns auf Lehr- und Lernszenarien gem. LehrplanPlus[24], des sich aktuell in der Einführung befindenden Bayerischen Lehrplans, der eine Neuorientierung im Sinne der Kompetenzorientierung erfahren hat. Hierbei wurden existentielle Themen besonders fokussiert. Die Themengebiete sind anlässlich ihrer lebensweltlichen Relevanz wie folgend ausgewählt worden:
- (P1) Sexualität und Intimität
- (P2) Leben – Abschied nehmen – Trauern
- (P3) Pluralität
- (P4) Glaube wird sichtbar (u. a. Kirchengeschichts- und Kirchenraumpädagogik)
Diese Themengebiete decken insbesondere auch Fokusthemen der Sinus-Jugendstudie 2016 und der Shell-Jugendstudie 2015 ab[25]. Nicht besonders neu ist die Tatsache, dass «[e]gal ob muslimisch, christlich oder ohne konfessionelle Zugehörigkeit: Jugendliche interessieren sich für grundlegende Fragen des Lebens – allerdings für jeweils unterschiedliche Themen. Während christliche und nicht-religiöse Jugendliche vor allem die Frage bewegt, woher wir kommen und was nach dem Tod kommt, ist für muslimische Jugendliche häufig relevant, was gerecht oder moralisch richtig ist. Hierfür suchen sie teilweise auch Antworten in ihrer Religion.»[26]
Die Entwicklung der Lehr- und Lernszenarien fand in einem konfessionell-kooperativen und zugleich interreligiösen Projektteam mit jeweiligen Bereichsleitungen statt. Die ausgewählten Themen wurden schulart- und konfessionsübergreifend sowie in jüdisch-christlicher und muslimisch-christlicher Zusammenarbeit entwickelt. Daher bieten sich einige Facetten auch für das schweizerische Fach Ethik, Religionen, Gemeinschaft an.
Zurzeit wird die Distribution der Unterrichtsszenarios unter Lehrkräften der Evangelischen Religionslehre durchgeführt und ab Winter 2018 / Frühjahr 2019 in Schulen erprobt und evaluiert.
In diesem Sinne sei hier auf eine Arbeitsprobe hingewiesen, in der vergegenwärtigt werden soll, wie ein Lernen über und mit digitalen Medien im Religionsunterricht angebahnt werden könnte.[27] Die für ein Zeitvolumen von acht Doppelstunden geplante Einheit zum Thema «Sexualität und Intimität» soll Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, ihren Standpunkt in Sachen Freundschaft, Intimität und Sexualität weiter zu entwickeln und selbstbewusst zu vertreten. Dazu gehört sowohl eine kritische Medienkompetenz in Bezug auf Sexualität in Medien als auch eine ebenfalls kritische Selbstreflexion auf mögliche eigene medienproduktive Tätigkeiten, z. B. in Bezug auf Sexting. Darüber hinaus geht es darum, dass die Schülerinnen und Schüler biblische Positionen zu den Themen Alleinsein, sexualisierte Gewalt sowie kirchliche Positionen zu sexueller Orientierung kennenlernen und kommentieren.
7. Ausblick
Das Projekt RELab digital befindet sich derzeit in seiner zweiten Arbeitsphase (vgl. zu den weiteren Arbeitsphasen insbesondere den unten genannten Artikel in Zeitschrift für Pädagogik und Theologie). Die hier vorgelegten Einblicke zum Projektaufbau und zu einer der vier Unterrichtsreihen sollen Lehrkräfte dazu ermutigen, sich im Bereich des Religionsunterrichts mit digitalisiertem Unterrichtsmaterial auseinanderzusetzen, sich selbst in der Erprobung zu üben bzw. eigene Kompetenzen zu testen und zu erweitern. Die Projektgruppe freut sich über Feedback und Kooperationsanfragen.