Ein Bilderbuch zum Philosophieren: «Sprechende Hände»


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Ein Bilderbuch zum Philosophieren: «Sprechende Hände» von Joseph Lambert

Lambert, Joseph: Sprechende Hände – Die Geschichte von Helen Keller, Egmont, Köln 2015
Von Tamara Koch

Inhalt

Alabama in den 1890er-Jahren: Wegen einer Viruserkrankung ertaubt und erblindet Helen Keller als Kleinkind. Bis sie fast sieben Jahre alt ist, kann sie sich niemandem in ihrer Aussenwelt verständlich machen. Annie Sullivan, die selbst als Kind fast blind war, aber durch eine Operation nun wieder sehen kann, wird als Hauslehrerin angestellt. Sie soll Helen das Fingeralphabet beibringen, mit dem einzelne Buchstaben in die Hand gezeichnet werden. Erst jetzt fängt Helen an zu verstehen, dass Dinge Namen haben, lernt zu schreiben und sogar zu sprechen. Die Graphic Novel erzählt die wahre Geschichte der später erfolgreichen Autorin Helen Keller, für welche die aussergewöhnliche Beziehung zwischen Lehrerin und Schülerin den Grundstein legte.

Sprache

  • kurze Monologe in Sprechblasen im Comic-Stil, zusätzliche Darstellung von Geräuschen
  • Teile einer (originalen) Briefkonversation und von Tagebucheinträgen von Annie Sullivan als Kommentare zu den Bildern
  • anspruchsvoll, da teilweise veraltete Ausdrücke verwendet werden, einzelne Ausdrücke müssen erklärt werden

Bilder

  • aufeinanderfolgende Einzelbilder (Comicstrips) mit vereinzelten grösseren Bildern und viel Lesetext (Graphic Novel)
  • Helens Wahrnehmung wird mit schwarzem Hintergrund, schemenhaft und ohne Text dargestellt, im Lauf der Geschichte mit mehr Wissen und mehr Wörtern zusehends erhellt und differenziert.
  • Die Aussenwelt wird in zarten Farben und minimal dargestellt, die Mimik ist reduziert gezeichnet, Gesten und Dinge stehen im Fokus.

Themen

  • Sprachphilosophie: Wie kommen Dinge zu ihren Namen? Hat jedes Ding einen Namen, jedes Zeichen eine Bedeutung? Gibt es Dinge, die nicht mit Worten beschrieben werden können?
  • Erkenntnistheorie: Wie nehmen wir unsere Umwelt wahr? Sehen alle Menschen dieselbe Aussenwelt?
  • Lernen und Lehren: Wie bringt man jemandem am besten etwas bei? Was braucht es dafür? Was bedeutet es, etwas zu lernen?
  • Gefühle: Wie fühlt es sich an, nichts zu sehen und zu hören? Wie ist es, einsam zu sein? Wie fühlt es sich an, von jemandem verstanden zu werden? Was ist Freundschaft?

Sätze zum Nachdenken

  • «Die vordringlichste Aufgabe ist es, sie zu disziplinieren, ohne sie zu entmutigen. Ich muss für notwendigen Gehorsam sorgen, aber ich will sie nicht durch Zwang kontrollieren.» (S. 13)
  • «Wo immer wir hingehen, will sie unbedingt die Namen der Dinge wissen. Nun muss alles einen Namen haben.» (S. 40)
  • «Helen lernt so viele Wörter, wie ich ihr mithilfe derjenigen erklären kann, die sie schon kennt.» (S. 46)
  • «Jedes neue Wort scheint die Notwendigkeit neuer Worte nach sich zu ziehen.» (S. 47)
  • «Was ist ‹braun›?» (S. 56)
  • «Helen spricht viel über Dinge, von denen sie über ihre Sinne nichts erfahren kann.» (S. 56)
  • «Du bist meist einzelgängerisch und einsam, das weiss ich. Aber du hast dich nicht selbst erschaffen, das tut niemand.» (S. 56)
  • «Wie kann ich dem trauen, was ich denke?» (S. 86)

 

Mögliche Aufgaben

  • andere Perspektiven einnehmen: Wie fühlt es sich an, nichts zu sehen und zu hören?
  • über Gefühle nachdenken: Wie kann ich irgendwo dazugehören, wenn ich weder sehen noch hören kann? Was heisst es, einsam zu sein oder irgendwo dazuzugehören?
  • über Erziehung nachdenken: Was macht eine gute Lehrperson aus? Wie kann man jemand anderem etwas beibringen? Braucht es dafür Disziplin und Gehorsam?
  • über Erziehung nachdenken: Was heisst es, etwas zu lernen? Wann kann ich am besten etwas lernen?
  • über Kommunikation nachdenken: Was gibt es für Arten, mit anderen Menschen zu kommunizieren? Was gehört alles zur Kommunikation? Kann man sich auch abgesehen von der gesprochenen Sprache «verstehen»?
  • Begriffe klären: Was bedeutet «Verstehen» oder «Kommunikation»? Was gehört alles zur Sprache?
  • Erkenntnistheorie: Was gibt es für Wege, etwas über die Umwelt zu erfahren? Wie unterscheiden sich diese? Was sind die Sinne? Und sehen alle Menschen dieselbe Aussenwelt?
  • Erkenntnistheorie: Wie kann Helen wissen, was «braun» bedeutet? Wie unterscheidet sich ihr Wissen von den Farben Braun oder Rot vom Wissen von sehenden Menschen?
  • Sprachphilosophie: Wie kommen Dinge zu ihren Namen? Hat jedes Ding einen Namen, jedes Zeichen eine Bedeutung?
  • Sprachphilosophie: Was kann man mit Worten beschreiben? Gibt es Dinge, die nicht mit Worten beschrieben werden können?
  • über Geschlechterverhältnisse nachdenken: Obwohl Annie Sullivan Helens Lehrerin ist, wird sie immer wieder als «Hausmädchen» bezeichnet: Was für eine Rolle wird Frauen in der erzählten Geschichte zugedacht?
  • über Diskriminierung nachdenken: Aufgrund von Krankheiten erblinden beide Protagonistinnen. Beide sind sehr intelligent, dennoch werden sie als «dumm» und «wild» oder «ungehorsam» bezeichnet und von anderen so wahrgenommen. Woran liegt das? Wie kann eine Krankheit das Leben ändern und beeinflussen?
  • über alternative Kommunikationssysteme recherchieren: Was für unterschiedliche Arten von Sprachen und Kommunikationssystemen gibt es (Gebärdensprache, Codes, Klicklaute, Brailleschrift etc.)?
  • spekulieren oder phantasieren: Wie sähe eine Welt ohne Wörter aus? Was gäbe es für Alternativen zur gesprochenen Sprache?

Hinweis

Für Zyklus 1 und 2 ist das Bilderbuch von Regine Schindler «Helen lernt leben» (Ernst Kaufmann Verlag 2002) geeignet, das sich in einfacher Sprache und Bildern mit denselben und ähnlichen Fragen befasst.

Artikelnachweis
Koch, Tamara (2022). Ein Bilderbuch zum Philosophieren: «Sprechende Hände» von Joseph Lambert, in: erg.ch – Materialien für das Fach Ethik, Religionen, Gemeinschaft (Online-Publikation), https://www.ethik-religionen-gemeinschaft.ch/ein-bilderbuch-zum-philosophieren-sprechende-haende

Über Tamara Koch

Tamara Koch war Leiterin der Fachstelle Philosophieren mit Kindern an der PH FHNW und promoviert nun an der Universität Basel zu mündlichen Argumentationskompetenzen von Schulkindern (SNF-Projekt KompAS).